Joggl holt mich um 2:00 in der Früh ab. Das bedeutet aufstehen um 1:30, wow sollte das nicht eher Schlafenszeit sein? Verschlafen steige ich zu Joggl ins Auto und wir brausen über den Brenner ins Pfitschertal. Wir versuchen so weit als möglich mit dem Auto in Richtung Pfitscher-Joch-Haus hinaufzufahren, doch bei den Scheibler-Lahner ist endgültig Schluss. Also heißt es erstmal Ski tragen. Die Strasse bis zur Kehre zum Günther Messner Biwak zieht sich echt lang hin, besser wäre es gewesen bei der Kehre Rastkapelle zu parken. Nach 1,5 Stunden können wir kurz vor der Biwakschachtel endlich die Ski anziehen. Vorbei an den beeindrucken Nordwänden von Hochferner (vor 3 Jahren haben Klaus und ich für diese Tour insgesamt 20! Stunden gebraucht) und Grießferner ziehen wir gemütlich unsere Spur.
Von hinten kommen sehr schnell zwei Südtiroler zu uns herauf. Da die Tour für mich doch ganz schön weit ist, lasse ich mich gar nicht auf ein Rennen ein und wir machen den beiden gerne Platz. An der Grießscharte angekommen heißt es erstmal Ski abschnallen und über 100hm nach unten tragen. Bis wir die Ski wieder anlegen können wir die Südtiroler gerade noch am Felsriegel zwischen Rötkees und Schlegeiskees erkennen, ein wirklich beeindruckendes Tempo was die beiden da vorlegen. Selbst beim Felsriegel angekommen müssen wir uns für eine von zwei Spuren entscheiden, ich bin mir ziemlich sicher einen von den Südtirolern in die untere Spur einsteigen gesehen zu haben und so lässt sich Joggl für den scheinbar weiteren Weg überreden. Am Schlegeiskees angekommen können wir endlich unser heutiges Tagesziel die Hochfeiler Nordwand erkennen.
Durch die linke Rinne gehen schon einige Aufstiegs- und auch Abfahrtsspuren, doch der eigentliche Nordwandanstieg liegt noch vollkommen jungfräulich vor uns. Beim Bergschrund angekommen checken wir erstmal die Lage und stärken uns dann bei einer Jause für die bevorstehende Wand. Da wir kein Seil dabei haben versuchen wir ganz Vorsichtig den Bergschrund mit Steigeisen und Pickeln bewaffnet zu überqueren. Hier merke ich, dass Joggl einfach die längeren „Haxn“ als ich hat. Für mich wird der Schritt in seinen Fußstapfen ganz schön weit. Im unteren Teil der Wand liegt einiges an Pulver und so wechseln wir uns alle 50 Höhenmeter mit dem Spuren ab.
Das Spuren ist sehr anstrengend und die hohen Temperaturen tun ihr übriges dazu. Mir läuft der Schweiß in strömen herunter. Doch nach oben hin kommt endlich ein kühles Lüftchen auf und es liegt auch kein Pulver in der Wand. Nun Schwitze ich zwar nicht mehr vor lauter Anstrengung doch die Ausgesetztheit auf den letzten paar blanken Metern lässt doch die ein oder andere Angstschweißperle auf meiner Stirn hervortreten. Endlich am Grat angekommen fällt die Anspannung von mir ab und ich schieße noch ein Foto von Joggl im Ausstieg.
Über einen kurzen Grat geht es noch hinauf zum Gipfel. Dort treffen wir die Südtiroler wieder. Sie haben die Abfahrtsspuren in der linken Rinne begutachtet und meinen es wäre nur sehr wenig Pulver auf einer harten Unterlage gewesen. Also entschließen sie und Joggl sich, über den Normalweg abzufahren. Da ich doch einen für solche Verhältnisse besseren Ski habe zögere ich länger welche Abfahrtsvariante ich nehmen soll. Ich vermute am meisten Pulver im Ostteil des original Nordwandanstiegs. Da wir über den Westteil ausgestiegen sind erkundige ich zuerst mit Steigeisen und Pickel die Einfahrt in die Wand. Hier hat es eine ca. 20cm dicke Pulverschicht auf einer hartgefrorenen Unterlage. Ich denke mir, na ja du hast schon schlechtere Verhältnisse erlebt und schnalle mir die Ski an. Vorsichtig fahre ich in die Wand ein. Joggl schießt eine ganze Reihe von Fotos.
Bei den ersten Schwüngen spüre ich, dass ich auf dem harten Untergrund den Kantengriff bis an seine Grenze ausreizen muss. Immer wieder Rutsche ich in verschiedene Richtungen auf der Suche nach einer etwas mächtigeren Schneeauflage. Wo am meisten Schnee ist kann ich nur abschätzen, da die Oberfläche überall gleich ausschaut. Plötzlich spüre ich wie die Kanten nach einem Schwung nicht mehr greifen. Ich bin gerade im steilsten Bereich der Wand und spüre wie ich immer mehr beschleunige. Mein Herz rast. Ich weiß allerdings, dass ich in wenigen Metern auf unsere Aufstiegsspur mit viel Schnee treffen werde. Also versuchen, dass Gleichgewicht nicht zu verlieren und kontrolliert weiterrutschen. Als die ersten Zonen mit weicheren Schnee kommen spüre ich wie der Ski zu rupfen anfängt. So jetzt nur beim Bremsen keinen Überschlag provozieren, dass wäre tödlich. Mit voller Kraft halte ich den Ski und spüre wie ich Bremse. Nach gut 20 Höhenmetern komme ich endlich zum Stillstand und kann wieder einmal durchschnaufen. Nun wartet noch perfekt steiles Skigelände mit wunderschönem schwerem Pulver auf mich. Mit jedem Schwung rutscht der oberste Zentimeter des Pulvers mit mir mit und ich springe in einem Bach aus Schnee einen Schwung nach dem anderen. Mit einem Juchzer ziehe ich nun entspannt die restliche Wand hinunter, obwohl ich natürlich immer noch darauf achte voll auf Sicherheit zu fahren ist die Wand hier Genuss pur. Am Wandfuß angekommen rufe ich Joggl an um ihm zu Berichten, dass ich gut über den Bergschrund gekommen bin.
Den Felsriegel vor dem Rötkees kann ich sehr hoch auf einem schmalen Schneestreifen überwinden. In schwerem Pulver ziehe ich meine Spur bis zum Gegenanstieg auf die Grießscharte. Beim Gegenanstieg breche ich immer wieder Hüfttief ein und so werden diese 100 Höhenmeter zur echten Qual. Ab der Scharte erwartet mich super Firn und zum Schluss geht es halb Ski tragend halb fahrend durch Blumenwiesen bis zum Auto.